Am 12. Januar 2013 fand der durch die Initiative gegen das Vergessen organisierte „Trauermarsch“ anlässlich des Bombardements Magdeburgs am 16. Januar 1945 durch alliierte Truppen statt. Organisiert wurde die Veranstaltung durch Andy Knape, Leiter des NPD-Ordnungsdienstes und Chef der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN).
Durch eine gezielte Verwirrungstaktik und Einsatz körperlicher Gewalt gelang es Polizei und Ordnungsbehörden, die Neonazi-Demonstration in den Süden der Stadt zu verlegen und Gegenprotest nahezu vollständig zu unterbinden.
Der sachsen-anhaltinische Innenminister Holger Stahlknecht hatte im Vorfeld der Demonstration und angesichts der angekündigten Gegenproteste vor einem bundesweiten „Demonstrationstourismus“ nach Magdeburg gewarnt. Die Ankündigung des Grünen Sebastian Striegel MdL, die Arbeit der Polizei im Sinne staatsdemokratischer Gewaltenteilung kritisch beobachten zu wollen, bezeichnete Stahlknecht als „Sittenverfall“.
Gleichsam als Sittenverfall erachten wir es, dass sich Polizei und Stadt nicht nur erdreisteten, die Nazidemo am Libertären Zentrum vorbeizuführen. Sondern sie erlaubten den über 800 Neonazis auch noch, eine einstündige Kundgebung vor unserem Wohn- und Projekthaus abzuhalten.
Während die Nazis nur locker von der Polizei umringt waren, hatten sich Kleingruppen Polizisten an mehreren Stellen ums L!Z postiert – ausgerüstet mit Flex, Kettensäge, Hammer und Rammbock. Die Ansage war klar: Sollte auch nur ein Schnipsel Konfetti aus dem Haus auf die Straße fliegen, würde es gestürmt, so die Polizei. Entgegen erster Tickermeldungen drangen jedoch keine Beamt_innen ins Gebäude oder den Innenhof ein.
Wir betrachten das Verhalten von Polizei und Stadt an diesem Tag als klare, gezielte und kalkulierte Provokation. Antifaschistische Intervention sollte mit Gewaltandrohung unterbunden werden. Dass die Nazi-Kundgebung vor dem L!Z ermöglicht wurde, ist als politische Drohung an unser Projekt, unsere Strukturen und unsere Lebensentwürfe zu werten. Es wurde bewusst ein erhebliches Bedrohungsszenario generiert und auf eine Eskalation der Lage gehofft, um unter diesem Vorwand in das Haus eindringen zu können.
Staatliche Repression im Zuge der antifaschistischen Januarproteste ist indes kein Novum in Magdeburg. Im Vorjahr eskalierte die Polizei die Situation in der Alexander-Puschkin-Straße, woraufhin die Bewohner_innen angeblich mit Würfen schwerer Gegenstände reagierten. Dies wurde später in einer haarsträubenden Indizienkette zum Anlass genommen, filmreif in das Wohnhaus einzudringen und eine Wohnung zu durchsuchen.
Die Menschen im und am L!Z beließen es am 12. Januar bei einer rein akustischen Störung der Nazikundgebung.
Für uns steht indes fest, dass vielfältiger Widerstand gegen gruppenbezogen-menschenfeindliche Einstellungen notwendig und legitim sein muss. Insbesondere von einem Innenminister, der demokratische Grundprinzipien mit Füßen tritt, lassen wir ihn uns nicht verbieten.
Plenum des L!Z am 17. Januar 2013